Muskeln und Sehnen sind elementar beteiligt, wenn wir Sport treiben wollen. Doch sie haben unterschiedliche Eigenschaften und Funktionen. Deshalb reagieren, bzw. heilen auch diese beiden Strukturen bei Überbeanspruchung sehr unterschiedlich. Warum das so ist und welche Faktoren dabei eine Rolle spielen – darüber referiert PD Dr. med. Thilo Hotfiel (Klinikum Osnabrück) auf dem 14. Zeulenrodaer Kongress für Orthopädie und Sportorthopädie.
Muskelgewebe macht rund 30 bis 40 Prozent des menschlichen Körpers aus. Die Muskulatur hat vielfältige Funktionen - nicht nur im Sport, sondern auch zur Aufrechterhaltung grundlegender Organfunktionen, zum Sitzen, Stehen und für die Bewegung. In den Muskeln werden darüber hinaus über 300 verschiedene Myokine gebildet, sogenannte Peptidhormone, welche beispielsweise im Gehirn, im Darm, im Herz-Kreislaufsystem eine wichtige Rolle spielen.
Muskeln sind nicht so leicht überlastbar, werden oft sogar unterfordert. Wenn doch einmal eine Überlastung vorkommt, tritt sie innerhalb weniger Tage in Form vom „Muskelkater“ auf. Der Muskel hat großes Anpassungs-, Regenerations- und Heilungspotential. Muskeleigene Satellitenzellen sorgen dafür, dass der Muskel schnell und meist komplett wieder heilt, bzw. sich bei wiederkehrenden Belastungen anpasst. Ausgenommen sind dabei höhergradige Muskelverletzungen wie z.B. Muskelfaserrisse oder Muskelabrisse, welche eine akute Verletzung, des Muskels darstellen.
Sehnen hingegen sind empfindlicher. Sie passen sich nicht so schnell an. Eine Überlastung kommt schleichend, langsam, zuerst oft unbemerkt – ist dann aber umso langwieriger in der Heilung. Sind gar lasttragende Sehnen betroffen, dauert eine Regeneration oft Wochen, manchmal Monate lang. Zum Beispiel bei der Patellarsehne (Knie) oder der Achillessehne (Sprunggelenk/Ferse).
„Deshalb ist es im Sport wichtig, eine Steigerung des Trainingspensums langsam und schrittweise vorzunehmen, als Faustformel gilt z.B. etwa 10 Prozent pro Monat “, sagt Sportorthopäde PD Dr. Thilo Hotfiel.
Muskel und Sehne bilden eine untrennbare Einheit und brauchen einander, um zusammen zu arbeiten. Akute Muskelüberlastungen kommen schnell bei für unseren Körper ungewohnten oder unbekannten Belastungen, z.B. beim Bergab-Wandern oder bei Sportarten mit Erschütterungen („Stop-and-go“, Richtungswechsel) vor.
Sehnenüberlastungen treten eher bei repetitiven (wiederkehrenden) Belastungen wie Joggen, Sprüngen und in den Spielsportarten auf, da hier das Körpergewicht abgefangen und wieder beschleunigt werden muss.
Radfahren und Schwimmen gelten als besonders günstig im Breiten- und auch im Leistungssport: hier ist die Gefahr einer Muskel- und/oder Sehnenüberlastung eher gering.
In der Therapie von Muskel- und Sehnenüberlastungen gilt folgendes:
Bei der Überlastung des Muskels sind „lockere" Trainingseinheiten empfehlenswert. Bei Missachtung können schwerwiegende akute Muskelverletzungen auftreten.
Bei Sehnenverletzungen gilt es maßgeblich die Trainingsbelastung anzupassen und unter Anleitung eine gezielte Trainingstherapie (z.B. exzentrisches Training) durchzuführen. Führen diese Maßnahmen nicht zum Erfolg können auch Stoßwellenanwendungen, medizinische Einlagen oder ausgewählte Infiltrationstherapien eingesetzt werden.
Wer sich für ein rückenfreundliches Leben interessiert, ist bei der Aktion Gesunder Rücken (AGR) e.V. genau richtig: Das AGR-Gütesiegel bietet Verbrauchern eine vertrauensvolle Hilfe – eine Art Kompass – bei der Auswahl von Produkten für ein rückengesundes Leben. Diese Auszeichnung gilt auch unter Experten als kompetent und unabhängig. Zudem wissen Hersteller das Zertifikat der AGR sehr zu schätzen und nutzen es als Qualitätsmerkmal für ihre Kunden. Das AGR-Expertennetzwerk steht den Herstellern beratend zur Seite, wenn es um die Weiterentwicklung von Babytragen, Sportgeräten, Autositzen und Co. geht.
Drei von vier Deutschen leiden mindestens einmal im Leben unter Rückenschmerzen: Obwohl diese in jedem Alter auftreten können, ist es besonders typisch , dass sie ab einem Lebensalter von etwa 30 oder 40 Jahren plötzlich auftreten und innerhalb einiger Tage oder Wochen auch wieder verschwinden. „Das Beste, was Sie tun können, ist weiter Ihrem Alltag nachzugehen und so gut es geht körperlich aktiv zu bleiben”, sagt Rücken-Experte Ulrich Kuhnt, Vorstand des Bundesverbands deutscher Rückenschulen e.V. Noch besser sei es natürlich, bereits im Voraus den Rücken so zu stärken, dass es erst gar nicht zu dem schmerzhaften Erlebnis komme.
Keine Angst vor Rückenschmerzen: Die richtige Auswahl an Hilfsprodukten treffen
Wer sich für Rückengesundheit interessiert oder bereits Rückenschmerzen hat, dem steht ein großer Markt an Rücken-Produkten offen – vom Sportgerät über Einlagen bis hin zu rückengerechten Bürostühlen und Sesseln. „Wegen der Breite des Angebots braucht es dringend einen Wegweiser, einen Kompass”, sagt AGR-Geschäftsführer Detlef Detjen. Nicht jeder könne und müsse sich gleich zum Rückenexperten weiterbilden, um seiner Rückengesundheit etwas Gutes zu tun. Die Aktion Gesunder Rücken e.V. versteht sich als eine Art „Verbraucherzentrale für Rückengesundheit” und werde auch von Ärzten und Therapeuten entsprechend weiterempfohlen. „Wir wollen hier vor allem Mut machen und den Betroffenen zeigen, dass sie nicht allein sind”, sagt Detjen. Denn Rückenschmerzen lassen sich in den meisten Fällen in den Griff bekommen oder zumindest reduzieren. Im Verzeichnis der AGR-Webseite finden sich auch Kontakte zu AGR zertifizierten Fachgeschäften, zu medizinischen Verbänden sowie zu Experten für Ergonomie und Rückengesundheit (weiterführende Links siehe unten).
Den Rücken in allen Lebensbereichen und Altersklassen stärken
Darüber hinaus liefert die AGR das ganze Jahr über auch Tipps zu Produkten, die die Rückengesundheit fördern – vom Schulranzen über Bürostühle, Sofas und Autositze bis hin zu Trainingsgeräten und Schuhen. „Mit unserem Gütesiegel haben wir eine Art Lotsen geschaffen, der die Verbraucher durch den Produktdschungel begleitet”, ergänzt Detjen. Wer Ausschau nach einer neuen Matratze, einem neuen Fahrrad oder Schreibtisch hält und seinem Rücken etwas Gutes tun will, der ist bei der AGR genau richtig. Denn welche Produkte wirklich rückenfreundlich sind, sieht man ihnen oft nicht an: Es sei denn, sie sind mit dem AGR-Gütesiegel versehen. Zertifiziert werden Produkte, die den Rücken und den menschlichen Bewegungsapparat insgesamt optimal unterstützen. Das Spektrum reicht von Büro-, Polster- und Kindermöbeln über Fahrräder und Sportgeräte bis hin zu Staubsaugern und Akkuschraubern sowie vielem mehr. Zudem werden auch Produkte zur rückengesunden Prävention geprüft und zertifiziert.
Prüfkommission besteht aus unabhängigen Ärzten und Therapeuten
Ein unabhängiges Gremium aus Ärzten und Therapeuten von zwei medizinischen Fachverbänden (Forum Gesunder Rücken – besser leben e.V. und Bundesverband deutscher Rückenschulen e.V.) überprüft, ob ein Produkt rückenfreundlich ist. Diese medizinisch multidisziplinäre Vorgehensweise überzeugte auch das Portal „Label-online“ des Bundesverbandes „Die Verbraucherinitiative e.V.“, das das Gütesiegel als „besonders empfehlenswert“ bewertete. Das AGR-Gütesiegel wurde 2022 zudem als EU Gewährleistungsmarke ausgezeichnet, eine internationale Anerkennung der Seriosität und Vertrauenswürdigkeit des AGR-Gütesiegels und des unabhängigen Prüfprozesses.
Das Gütesiegel ist jedoch nicht nur eine wichtige Orientierungshilfe für die Käufer, sondern auch für die Produktwahl von Therapeuten und Ärzten: 71 Prozent der Orthopäden empfehlen bevorzugt Produkte mit AGR-Gütesiegel. Das belegt das Rücken-Konsilium, eine groß angelegte Befragung zum Thema Rückenschmerzen unter rund 1.000 Orthopäden in Deutschland. Da die Experten der Prüfkommission aus medizinischen Fachverbänden stammen, zählt ihr Urteil als fachlich fundierte Empfehlung, die die Spezialisten gerne an ihre Patienten weitergeben. Hinzukommt die Signalwirkung an die Industrie: Hersteller können ihre Produkte aus allen Bereichen des täglichen Lebens und Arbeitens aufwerten und mit dem Gütesiegel ein relevantes Unterscheidungskriterium zur Konkurrenz bieten. Das spornt an und setzt Impulse in ganz unterschiedlichen Branchen.
AGR-Gütesiegel auch von medizinischer Fachwelt und Industrie anerkannt
So sieht Dr. Olaf Heinemann vom Produktmanagement City Reinigung bei Hako in dem Gütesiegel eine „Wertschätzung unseres Bemühens, nicht nur besonders funktionale, sondern eben auch rückengesunde Maschinen herzustellen”. Das Unternehmen versteht sich als Spezialist für Reinigungstechnik, der höchste Anforderungen in der professionellen Gebäude- und Außenreinigung erfüllt. Auch RECARO Automotive setzt bei der Entwicklung von Autositzen auf die Expertise der AGR: „Die Auszeichnung unserer Produkte mit dem AGR-Gütesiegel bestätigt uns darin, nur anatomisch-geformte Produkte zu entwickeln, die wie eine zweite Haut passen und den Rücken vollflächig ab- und unterstützen”, sagt Ulrich J. Severin, Geschäftsführer und VP Europe. Das AGR-Team hat aus seiner Sicht maßgeblich zu wirklich guten und gesunden Autositzen beigetragen und das Bewusstsein in der Gesellschaft geschärft.
Eduard Haider, Inhaber von Haider Bioswing bestätigt: „Dieses Gütesiegel hat für unsere Sitz- und Trainingssysteme einen hohen Stellenwert, weil es von kompetenten Orthopäden, Therapeuten und Ergonomen geprüft und empfohlen wird.” Das Zertifikat basiert auf aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen und auf fundierten praktischen Erfahrungen. Es sei deshalb „eine Expertise, die unsere Produkte bei den Kunden stark aufwertet.” Zudem betont Haider: „Auch unsere Fachhandelspartner nutzen die vielfältigen Möglichkeiten der Weiterbildung bei der AGR, um ihre Kunden noch besser beraten zu können.” Auch Martin Buchberger, Geschäftsführer von Streetstepper, weiß die externe Instanz der AGR sehr zu schätzen: „Eine objektive Beurteilung wie durch das AGR-Gütesiegel ist für Kunden eine Orientierungshilfe, und für uns als Hersteller eine Bestätigung und zugleich ein hilfreiches Marketinginstrument.” Dieses Urteil gehe deshalb über die subjektiven Rückmeldungen von Therapeuten, Orthopäden und Kunden hinaus.
Impulse für die Produkt-Entwicklung nach ergonomischen Kriterien
Für Karin Ritter, Hebamme, Trage-, Schlaf- und Entwicklungsexpertin bei der Firma Ergobaby Europe, unterstützt das AGR-Gütesiegel außerdem ihr Unternehmen dabei, neue Qualitätsstandards im Markt für rückenfreundliche Babyprodukte zu setzen: „So haben wir zum Beispiel die Anforderungen an eine ergonomische Babywippe mit erarbeitet und stellen sicher, dass die kindliche Anatomie und gesunde Entwicklungsförderung immer mehr Beachtung finden.” Profitiert denn der Käufer von Produkten, die ein AGR-Gütesiegel tragen, tatsächlich in Sachen Gesundheit? „Das ist für mich eine der wichtigsten Fragen, die mir der Hersteller bei der Prüfung beantworten muss”, sagt Martin Vierl, Chefarzt der orthopädischen Rehaklinik Sonnhalde in Donaueschingen und Mitglied der unabhängigen Prüfkommission. Bei solchen Fragen helfen unter anderem wissenschaftliche Studien, die der Hersteller der Kommission entsprechend vorlegt. Denn die Aktion Gesunder Rücken bürgt mit ihrem Gütesiegel für einen Qualitätsanspruch, auf den sich Käufer verlassen können.
Änderungen am Produkt erfordern eine erneute Prüfung
Für Hersteller, die das Gütesiegel verliehen bekommen, geht die Verantwortung weit über die eigentliche Auszeichnung hinaus: Sie schließen einen Nutzungsvertrag ab, der genau festlegt, unter welchen Bedingungen sie das Gütesiegel verwenden dürfen. „Darin ist festgehalten, dass uns sämtliche Änderungen gemeldet und die Produkte dann eventuell erneut geprüft werden müssen”, sagt Vierl. Damit sind beispielsweise Abwandlungen am Produkt oder seiner Ergonomie gemeint sowie veränderte medizinische Erkenntnisse, die womöglich Grundlage für die Prüfung waren.
Neben dem Gütesiegel bietet die AGR Tipps für einen rückenfreundlichen Alltag
Der Service der AGR reicht weit über das Gütesiegel hinaus: Auf der AGR-Website etwa gibt es Checklisten zum Einstellen höhenverstellbarer Schreibtische und Bürostühle ebenso wie Schaubilder mit Detailinfos zum ergonomischen Sitzen im Auto. „Wer viele Stunden am Tag im Auto oder am Schreibtisch verbringt, erhält bei uns konkrete Tipps, wie er für seinen Rücken vorsorgen kann und worauf dabei zu achten ist”, erklärt Detjen. Auch wer sich zuhause entspannen möchte und sich einen Relaxsessel gönnt, sollte auf ergonomische Aspekte wie passende Bemaßungen und die Lordosenstütze achten. „Darüber hinaus haben wir Tipps für die Gartenarbeit wie das ergonomische Halten einer Heckenschere oder Hinweise zur idealen Arbeitshöhe beim Rasentrimmen”, weist Detjen auf das weite thematische Spektrum der Rückengesundheit hin. Auch die Themen Freizeit und Sport kommen nicht zu kurz: So gibt es zahlreiche Hilfestellungen etwa zum Thema rückengerechtes Fahrradfahren – von der Sattelform über die anatomisch passenden Fahrradgriffe bis hin zu einer Checkliste für rückengerechte Stepper-Fahrräder als Alternative zum Fahrrad. Eine Übersicht mit einigen Tipps gibt es unter: www.agr-ev.de/tipps.
“Allianz der Rückengesundheit”: Fachkompetenz unterschiedlicher Berufsgruppen
Grundlage dieser gesammelten Kompetenz für Rückengesundheit bildet die Allianz der Rückengesundheit. „Denn so vielfältig die Ursachen von Rückenschmerzen sind, so vielseitig sollten auch die Lösungsansätze sein”, sagt Detjen. Deshalb kooperieren verschiedene medizinische Fachverbände und damit auch unterschiedliche Berufsgruppen. Gemeinsam widmen sie sich alle dem Thema „Rückenschmerzen”: vom Berufsverband für Orthopädie und Unfallchirurgie über den Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen und den Deutschen Turner-Bund bis hin zum Verband für Physiotherapie. Insgesamt besteht diese Allianz aus rund 150.000 Therapeuten und Ärzten. „Ein Experte allein kann gar nicht die richtige Antwort oder Lösung für alle Fragen und Herausforderungen parat haben”, sagt Detjen. Nur gemeinsam lasse sich das Volksleiden in den Griff bekommen. Und genau für diese Expertise steht auch das Gütesiegel: ausgezeichnet rückenfreundlich.
Wer zum Zeitpunkt einer rechtswidrigen Tat wegen einer psychischen Erkrankung nicht oder nicht vollständig schuldfähig ist, wird nach richterlichem Beschluss im Maßregelvollzug untergebracht. In speziell dafür ausgerichteten Kliniken. "Für uns sind das Patient:innen, die wir intensiv und engmaschig betreuen", sagt Andrea Weirauch, Ergotherapeutin im DVE (Deutscher Verband Ergotherapie e.V.) und erklärt: "Die grundlegenden Ziele sind, eine Besserung der Erkrankung zu erreichen, dadurch die Gefährlichkeit herabzusetzen und die Wiedereingliederung in die Gesellschaft und in den ersten Arbeitsmarkt anzubahnen". In vielen Fällen gelingt es durch die multiprofessionelle Zusammenarbeit der beteiligten Fachdisziplinen zu denen auch Ergotherapeut:innen gehören, psychisch erkrankten Menschen die Rückkehr in ein Leben außerhalb der Klinik zu ermöglichen. Manche sind für unbestimmte Zeit im Maßregelvollzug; diesen Menschen gilt es, mithilfe ergotherapeutischer Unterstützung den Alltag und den Umgang mit ihren Emotionen zu erleichtern.
Begehen Menschen mit psychischen Erkrankungen wie Schizophrenie, Persönlichkeitsstörungen oder einer starken Intelligenzminderung eine rechtswidrige Tat, werden sie - wenn die Tat im Zusammenhang mit der Erkrankung steht - als "nicht schuldfähig" verurteilt. Ihre Unterbringung findet dann im Maßregelvollzug statt. Auch für Menschen mit einer Suchterkrankung, die im Rauschzustand gewalttätig sind oder wegen Beschaffungskriminalität verurteilt werden, ist der Maßregelvollzug eine Option: Zeigen sie sich im Verfahren therapiebereit, kann bei ihnen der Maßregelvollzug angeordnet werden. Maßregelvollzug bedeutet: Unterbringung in einer von der Außenwelt abgeschotteten psychiatrischen Klinik. Die Ankunft in einer solchen Einrichtung geht mit der Abgabe von Privatsphäre und Selbstbestimmung einher, alles ist geregelt. Und zwar so, dass niemand sich selbst oder andere gefährden kann, sämtliche Sicherungsaspekte berücksichtigt sind und der Ablauf des Klinikalltags möglichst reibungslos klappt. Persönliche Interessen stehen hinter all dem an. Derart massive Einschränkungen und Reglementierungen zu verkraften und sich an alle Vorgaben zu halten, fiele mit Sicherheit den meisten Menschen schwer. "Menschen mit einer psychischen Erkrankung machen die vielen Zwänge in einem derart restriktiven System, das Eingesperrtsein und die daraus entstehenden Emotionen sehr zu schaffen", betont die Ergotherapeutin Andrea Weirauch, was Maßregelvollzug in dieser Hinsicht bedeutet.
Dauernd unter Beobachtung: Einschränkungen der Privatsphäre im Maßregelvollzug
Ab Tag eins der Unterbringung im Maßregelvollzug gehören Ergotherapeut:innen zu den Fachdisziplinen, die Menschen betreuen und begleiten, die wegen ihrer psychischen Erkrankung straffällig wurden. Die Teilnahme an den angebotenen Therapiemöglichkeiten ist verpflichtend, wenn Patient:innen Lockerungen im Alltag für sich erwirken wollen. Was bedeutet Lockerung? "Lockerungen können beispielsweise sein, dass unsere Patient:innen die wöchentliche Maniküre und Pediküre nicht mehr unter Aufsicht, sondern in ihrem Zimmer vornehmen können", verdeutlicht die Ergotherapeutin Weirauch, wie einschränkend das Leben im Maßregelvollzug ist und wie sehr darauf geachtet wird, dass es nicht zu selbst- oder fremdschädigendem Verhalten kommen kann. Die Patient:innen können sich Lockerungen durch ihr regelkonformes Verhalten und die konsequente und regelmäßige Teilnahme an den Therapieangeboten, unter anderem zur Deliktbearbeitung, erarbeiten. Welchen Lockerungen dann tatsächlich zugestimmt wird, hängt grundsätzlich vom Therapiestand ab; Lockerungen sind zum Teil mit dem Gericht oder manchmal auch mit der Staatsanwaltschaft abzustimmen. Sämtliche Mitarbeitende haben auch daher ein sehr genaues Auge auf jeden und jede einzelne Patient:in im Maßregelvollzug. Wer sich immer an die getroffenen Absprachen und Regeln hält, sich dadurch als vertrauenswürdig erweist und seinen Willen beweist, für die eigene Zukunft zu arbeiten, erhält im Gegenzug zunächst leichte Lockerungen. Diese verschaffen vor allem etwas mehr Privatsphäre, etwa beim Rasieren mit dem Nassrasierer oder beim Nägel schneiden mit der Nagelschere.
Ergotherapeut:innen sind Teil des multiprofessionellen Teams im Maßregelvollzug
Im Lauf der ersten ein bis zwei Jahre liegt der Fokus der ergotherapeutischen Intervention auf den Grundlagen der Arbeitsfähigkeit der Patient:innen. Es geht dabei ebenso um die sozialen, emotionalen, elementaren und speziellen Fähigkeiten wie um den Bereich des Selbstbildes. Unter diesem letztgenannten Aspekt sind unter anderem das äußere Erscheinungsbild, das eigene Rollenbild und Selbstständigkeit oder auch die reale Selbsteinschätzung zusammengefasst. An der Verbesserung aller Fähigkeiten arbeitet die Ergotherapeutin Andrea Weirauch mit ihren Patient:innen schwerpunktmäßig in Gruppen. Die Patient:innen haben aber auch immer wieder die Chance, Arbeiten oder Projekte alleine zu machen, um ihre besonderen Stärken herauszufinden und weiter auszuprägen. Die Angebote der Ergotherapeut:innen im Maßregelvollzug sind in der LVR-Klinik in Viersen, in der Andrea Weirauch beschäftigt ist, Arbeiten im Garten oder mit Holz, Papier und Pappe. Beim Arbeiten werden weitere Faktoren und Eigenschaften der Patient:innen sichtbar: Wie kommt der beziehungsweise die Einzelne mit anderen zurecht? Klappt Teamwork, wer gibt den Ton an? Wer traut sich etwas zu und wer traut sich zu fragen, wenn etwas unklar ist? Wer von denen, die handwerklich und kognitiv fit sind schafft es, mit anderen, die noch stark von ihren psychischen Problemen absorbiert sind, partnerschaftlich und motivierend zusammenzuarbeiten? Aus ihren Erkenntnissen leitet Andrea Weirauch ihr künftiges ergotherapeutisches Vorgehen ab. Denn ihre Arbeit im Maßregelvollzug besteht nicht etwa darin, die Patient:innnen handwerklich anzuleiten. Der Arbeitsauftrag von Ergotherapeut:innen ist, die Befähigungen der Patient:innen auf allen Ebenen zu verbessern - sowohl als Vorbereitung der Wiedereingliederung in die Gesellschaft und in Freizeitaktivitäten als auch für den (Wieder-)Einstieg in das Berufsleben.
Ergotherapeutische Herangehensweise: Zuhören und auf Frustrationstoleranz achten
Außer diesen langfristigen Zielen haben aktuelle Situationen und Anliegen ebenfalls immer einen Platz in der jeweiligen ergotherapeutischen Einheit. "Wir haben es im Maßregelvollzug mit heterogenen Charakteren und ebenso verschiedenartigen Erkrankungen zu tun; auch verhalten sich manche Patient:innen leider dissozial, können sich also nicht in die Gesellschaft einordnen", verdeutlicht Andrea Weirauch einen von außen nur erahnbaren Teil des Alltags in der Klinik. Sie fährt fort: "Es entstehen unterschiedliche Dynamiken, manche boykottieren das System - schlussendlich die einzige Möglichkeit, eine eigene Meinung kundzutun". Das alles ist für sie nachvollziehbar und sie hat immer "ein Ohr" für ihre Patient:innen, die manchmal aufgewühlt in ihre Therapiestunde kommen und daher nicht in der Lage sind, an ihren grundsätzlichen Zielen zu arbeiten. Die Erfahrung, als Mensch mit seinen ganz persönlichen Bedürfnissen wahrgenommen zu werden, reicht manchmal, um die Gemüter abzukühlen. In jedem Fall trägt diese typisch ergotherapeutische Vorgehensweise dazu bei, das Vertrauen der Patient:innen in ihre Ergotherapeutin weiter zu stärken. Für Andrea Weirauch wiederum sind solche Situationen aber auch Anlass, auf die Gefährlichkeit der Patient:innen, die schließlich aus einem bestimmten Grund im Maßregelvollzug sind, zu schauen. Je nach dem, worum es ging, und ob oder wie sich der- oder diejenige selbst beruhigen konnte, wird die Ergotherapeutin dies in die nächste Interventionseinheit einfließen lassen. In jedem Fall wird sie den Vorfall bei der Übergabe an die folgende Fachdisziplin erwähnen. Transparenz und zeitnahe Information aller ist ein zentrales Element bei der Betreuung von Menschen, die wegen ihrer psychischen Erkrankung straffällig wurden und wichtig, um Verbesserungen des Krankheitsbildes und hoffentlich irgendwann auch die Entlassung herbeizuführen.
Das Fazit der Ergotherapeutin Andrea Weirauch: "Das Potenzial der Menschen im Maßregelvollzug darf nicht ungenutzt bleiben. Wir haben es hier mit zum Teil sehr kreativen Menschen zu tun, mit Menschen, die sich interessieren, die bereit sind, sich zu kümmern und die sich Herausforderungen stellen. Ehrlicherweise muss jeder zugeben, dass der Maßregelvollzug eine wahnsinnige Herausforderung darstellt. Wer das geschafft hat, dem gebührt Achtung und Wertschätzung. Und ein Platz in der Gesellschaft und in der Arbeitswelt".
Informationsmaterial zu den vielfältigen Themen der Ergotherapie gibt es bei den Ergotherapeut:innen vor Ort; Ergotherapeut:innen in Wohnortnähe auf der Homepage des Verbandes unter https://dve.info/service/therapeutensuche
Rückenschmerzen sind ein Volksleiden, das in der Mehrzahl der Fälle weder mit Schmerzmitteln noch Operationen dauerhaft in den Griff zu bekommen ist. Zwei jüngst in der Zeitschrift „Lancet“ publizierte Studien zeigen, dass bei akuten Rückenschmerzen Opioid-haltige Schmerzmittel keine stärkere Wirkung haben als Placebo [1] und dass bei chronischen Rückenschmerzen eine individualisierte, kognitive Verhaltenstherapie [2] wesentlich wirksamer, anhaltender und kostengünstiger ist als eine Standardtherapie.
Rückenschmerzen gehören zu den häufigsten Beschwerden, die Menschen in eine Arztpraxis führen, und sie sind einer der häufigsten Gründe für Krankschreibungen oder Frühverrentung in Deutschland. Rückenschmerzen lassen sich einteilen in akute (unter zwölf Wochen andauernde) oder chronische Beschwerden sowie anhand der Lokalisation in obere Rücken- und Nackenbeschwerden und in untere Rücken- bzw. Kreuzschmerzen. Diagnostisch wird zunächst versucht, konkrete Ursachen zu finden, insbesondere, um ernsthafte Erkrankungen auszuschließen. Frakturen, Entzündungen, Nervenwurzelschäden oder Tumoren müssen immer ausgeschlossen werden, z.B. wenn die Schmerzen ganz plötzlich auftreten, bei einem Sturz oder Unfall oder bei zusätzlichen Symptomen wie Sensibilitätsstörungen (Taubheit oder Kribbeln), Muskelschwäche, Probleme mit der Blasen- oder Darmfunktion sowie Fieber, Schüttelfrost oder Übelkeit/Erbrechen.
Wenn keine Ursache ausgemacht werden kann, wird von unspezifischen Rückenschmerzen gesprochen. Therapeutisch kommen dann Wärme, Schmerzmittel und Physiotherapie in Betracht. Die vorübergehende Gabe von Schmerzmitteln bei akuten unspezifischen Rückenschmerzen ist oft sehr hilfreich; meist reichen hier die klassischen Präparate wie Ibuprofen oder Diclofenac aus. Nicht selten werden bei sehr starken Schmerzen auch Opioid-Analgetika eingesetzt, wobei es hier insgesamt bisher wenige Daten zur Wirksamkeit und Sicherheit gab.
Die nun publizierte randomisierte, placebokontrollierte OPAL-Studie aus Australien [1] war die erste placebokontrollierte Studie mit einem Opioid ohne zusätzliche Gabe eines weiteren Schmerzmittels bei akuten Schmerzen im unteren Rücken oder Nackenbereich. 347 Erwachsene (≥ 18 Jahren, 49% weiblich), die seit maximal 12 Wochen unter mäßigen bis starken Rücken- und/oder Nackenschmerzen litten, wurden verblindet nach Zufallsprinzip einer Opioid-Behandlung (n=174; Oxycodon-Naloxon, bis zu 20 mg Oxycodon pro Tag oral) oder Placebogruppe (n=173) zugeteilt. Primärer Endpunkt war die Schmerzstärke nach sechs Wochen, gemessen mit einer 10-Punkte-Schmerz-Skala (BPI-PS/„Brief Pain Inventory“). Abschließend konnten in der Opioidgruppe 151 und in der Placebogruppe 159 Personen ausgewertet werden. Der mittlere BPI-PS-Schmerzwert nach sechs Wochen betrug in der Opioidgruppe 2,78 (initial 5,7) gegenüber 2,25 (initial 5,6) in der Placebogruppe (Unterschied nicht signifikant, p=0,051). Unerwünschte Ereignisse traten in den beiden Gruppen nicht signifikant unterschiedlich auf (35% mit Opioid und 30% mit Placebo; p=0,30), jedoch berichteten doppelt so viele Menschen in der Opioidgruppe über eine Verstopfung (7,5% gegenüber 3,5% in der Placebogruppe). Das Autorenteam schlussfolgert, dass Opioide bei akuten, unspezifischen Rückenschmerzen nicht besser wirksam sind als Placebo und daher nicht zu empfehlen sind. Sie fordert daher, vom – zumindest in Australien (wie auch den USA), in Deutschland ist man zumeist etwas vorsichtiger bei der Verschreibung von Opioiden – häufigen Einsatz von Opioiden bei diesen Indikationen abzusehen.
Eine weitere Studie, die „RESTORE-Studie“ [2], ebenfalls aus Australien, untersuchte randomisiert kontrolliert bei chronischen Schmerzen im unteren Rückenbereich die sogenannte kognitive Verhaltenstherapie (CFT) im Hinblick auf Wirksamkeit und Wirtschaftlichkeit. CFT ist ein individualisierter Ansatz, der schmerzbezogene Empfindungen (Angst und „Schmerzüberzeugungen“) sowie Verhaltensweisen ändern soll, wie z.B. Schonhaltung oder Bewegungsvermeidung, die den Schmerz sogar verstärken statt verbessern können. Insgesamt 492 Erwachsene (≥ 18 Jahre, mittleres Alter ca. 47 Jahre, ca. 60% Frauen), die seit über 3 Monaten an unteren Rückenschmerzen mit mäßiggradigen Bewegungseinschränkungen litten, wurden randomisiert zu gleichen Teilen in drei Gruppen eingeteilt. Sie erhielten über einen Zeitraum von 12 Wochen entweder bis zu sieben CFT-Behandlungssitzungen (sowie eine weitere Sitzung nach 26 Wochen; n=164) oder CFT plus Biofeedback (Bewegungssensoren zur Verstärkung der CFT-Effekte; n=163) oder eine Standardbehandlung (Kontrollgruppe n=165; z.B. Physiotherapie, Massage, Chiropraktik, Schmerzmittel, Injektionen oder chirurgische Eingriffe). Der primäre klinische Endpunkt war die Aktivitätseinschränkung nach 13 Wochen, welche anhand des 24-Punkte-Fragebogens RMDQ ermittelt wurde („Roland Morris Disability Questionnaire“; mehr Punkte bedeutet ein schlechteres Ergebnis). Initial betrug der mittlere RMDQ-Score in der CFT-Gruppe 13,3; in der „CFTplus“-Gruppe 14,0 und in der Kontrollgruppe 13,3. Der primäre gesundheitsökonomische Endpunkt wurde mittels sogenannter QALYs („quality-adjusted life years“) erfasst. Im Ergebnis war die kognitive Funktionstherapie wirksamer als die Standardbehandlung; das Biofeedback zeigte dabei keinen Zusatznutzen. In den drei Gruppen betrugen die RMDQ-Scores nach 13 Wochen 7,5 (CFT sowie CFTplus) und 12,1 bei den Kontrollen (mittlere RMDQ-Differenz zur Kontrollgruppe für beide CFT-Gruppen -4,6). Auch nach 52 Wochen war der Effekt noch immer ähnlich gut (RMDQ-Scores 6,7 und 6,1 versus 11,5). Auch wirtschaftlich (QALYs und Fallkosten) schnitten die Interventionen besser ab.
„Beide Studien zeigen interessante Ergebnisse, insbesondere, dass starke Schmerzmittel bei Rückenschmerzen als Standardbehandlung kaum zielführend sind“, kommentiert DGN-Experte Prof. Hans-Christoph Diener, Essen. „In der Mehrzahl der Fälle ist auch die Operation keine dauerhafte Lösung; vor allem, da häufig muskuläre bzw. myofasziale Schmerzkomponenten vorhanden sind. Die Bedeutung der funktionellen Aspekte der Rückengesundheit, d.h. richtige Bewegungen bzw. veränderte Bewegungsmuster anstatt Vermeidungsverhalten und sportliche Aktivitäten im Rahmen von Therapie und Prävention kann daher gar nicht oft genug betont werden.“
[1] Jones CMP, Day RO, Koes BW et al. Opioid analgesia for acute low back pain and neck pain (the OPAL trial): a randomised placebo-controlled trial. Lancet 2023 Jul 22; 402 (10398): 304-312 doi: 10.1016/S0140-6736(23)00404-X. Epub 2023 Jun 28.
[2] Kent P, Haines T, O'Sullivan P et al. Cognitive functional therapy with or without movement sensor biofeedback versus usual care for chronic, disabling low back pain (RESTORE): a randomised, controlled, three-arm, parallel group, phase 3, clinical trial. Lancet 2023 Jun 3; 401 (10391): 1866-1877 doi: 10.1016/S0140-6736(23)00441-5. Epub 2023 May 2.